Nachdem
Rücktritt von Cheftrainer Pawel Dotchev hat der FC Erzgebirge Aue einen
Nachfolger präsentiert der vor allem Kennern des deutschen Jugendfußballs ein
Begriff sein dürfte. Obwohl Domenico Tedesco (30) laut eigener Aussage Angebote
aus den Ligen 1-3 vorlagen, entschied er sich für die Offerte der Westsachsen
um in der 2. Bundesliga seine ersten Schritte als Cheftrainer im deutschen Profifußball
zu wagen.
Taktische Anpassungen
Agierten die
Auer unter Vorgänger Pawel Dotchev überwiegend in einem 4-2-3-1 System, stellte
Tedesco nun auf ein System mit Dreier- respektive Fünferkette um. Ein Blick auf
die Tordifferenz genügt um festzustellen, dass die Defensivarbeit das
Sorgenkind der Auer ist. Die generelle Tendenz zum kollektiven Herausrücken und
aggressiven Verteidigen destabilisierte die Auer Endverteidigung. Insbesondere
bei Konterangriffen nach eigenen Ballverlusten oder nach missglückten hohen Pressingphasen,
sah sich die Endverteidigung um Dauerbrenner Breitkreutz Unterzahlsituationen
ausgesetzt.
Bereits in
der ersten Partie gegen den Karlsruher Sportclub wurde die neue Formation
angewandt, was gleich mit einem wichtigen Sieg im Abstiegskampf belohnt wurde. Die
Dreier/Fünferkette sicherte eine zumindest numerische Überlegenheit in der
letzten Linie, stabilisierte die Endverteidigung und ermöglichte den
Halbverteidigern die Wing Backs auf den Außen zu unterstützen bzw. deren
Aufrückbewegungen abzusichern.
5-2-3-(0) in Bochum
Konkret staffelten
sich die Auer gegen den Ball in einem 5-2-3-(0) System. Bauten die Bochumer in der ersten Linie mit
drei Spielern auf, wurden diese zunächst freigelassen. Die vorderste
Pressinglinie konzentrierte sich darauf mittels Deckungsschatten die Passwege
ins Zentrum zu versperren. Nazarov und
Köpke ließen sich aber nicht zu weit ins Zentrum ziehen, sondern hielten immer
den Kontakt zu Rizzuto und Hertner um diese Außen zu unterstützen. Gemeinsam
mit den mannorientiert nach vorne schiebenden Kvesic und Tiffert konnte so die
Bochumer Zentrale um Wydra und Losilla aus dem Spiel genommen werden. Versuchte
sich einer der beiden Bochumer Sechser nach hinten zu lösen und sich in den
Aufbau einzuschalten, wurde er von Kvesic oder Tiffert verfolgt, so dass
phasenweise eine 5-1-4-(0) Staffelung entstand.
Die Wing
Backs hielten sich zurück und suchten den Kontakt zur Dreiereihe um die
personelle Überzahl in der Endverteidigung zu wahren. Da der VFL Flügelüberladungen
vermied und Günduz und Pavlidis ihre Positionen auf den Außen linear
interpretierten, konnten sie sich leicht an ihren jeweiligen Gegenspielern orientieren.
Wurden Rizzuto und Hertner von den weit aufrückenden Bochumer Außenverteidigern
nach hinten gedrückt, reihten sich Nazarov und Köpke neben die Doppelsechs ein
und es ergab sich eine tiefe 5-4-1 Formation.
Ein Pass auf
den Außenverteidiger diente als Pressingtrigger, denn sobald der VFL sich linear
auf dem Flügel durchspielen wollte, schob sofort der ballnahe Sechser auf die
Außen um den rausrückenden Wingback sowie ballnahen Flügelspieler zu
unterstützen. Konnten die Erzgebirgler in solchen Situationen Ballgewinne
erzielen, nutzen sie sofort die ballnahe Ãœberzahl und spielten ihre Angriffe
über die Wing Backs aus.
Ballbesitz
Im eigenen
Aufbau zeigte sich das Team von Domenico Tedesco weniger ambitioniert (was
wahrscheinlich auch der prekären Tabellensituation geschuldet ist) zeigten dennoch
einige vielversprechende Ansätze um sich aus dem hohen Bochumer Pressing zu
befreien. Eine wichtige Rolle wurde dabei Torhüter Männel zu Teil, der in
tiefen Zirkulationsphasen immer eingebunden wurde und zusammen mit der
Dreierkette eine leicht angedeutete Raute herstellte.
Der VFL
presste in einem mannorientiertem 4-3-3 System. Wurtz und Gündüz rückten neben
Quaschner in die erste Pressinglinie auf, Wydra und Losilla orientierten sich
an Kvesic und Tiffert, welche sich beide fallen ließen um den Raum hinter den
aufrückenden Sechsern zu öffnen. Einige Male konnten die Auer mittels direkter
Weiterleitung über Männel und Tiffert die freien Wing Backs erreichen, die dann
versuchten die schnelle offensive Dreierreihe in Szene zu setzten.
Die daraus
resultierenden Abläufe spiegelten eine bereits unter Dotchev auftretende
Problematik wieder: Aue schaffte es zwar sich spielerisch aus dem gegnerischen
Pressing zu befreien, in Folgeaktionen befand sich die Offensive allerdings in
Unterzahl und musste versuchen über schnelle Durchbrüche zum Erfolg zu
gelangen, was wiederrum ein Festsetzen in der gegnerischen Hälfte und längere
Ballbesitzphasen verhinderte.
Die frühe
Führung durch Nazarov der einen Elfmeter sicher verwandelte, brachte dem Auer
Spiel gegen den Ball Spiel noch mehr Sicherheit und Dominanz. Der langsame
Spielaufbau der Bochumer sowie das starre Festhalten der einzelnen Akteure an
ihren Positionen, gepaart mit schwachem Freilaufverhalten, ermöglichte den überwiegend mannorientierten Auern sich leicht
zu orientieren und kollektiven Zugriff auf das Spielgeschehen zu erhalten.
Bochums enorme Offensivpräsenz bringt
Mannorientierungen durcheinander
Zu Beginn der
zweiten Hälfte stellte Gertjan Verbeek auf ein System um, das man höchstens auf
dem Papier als ein 3-4-3/3-4-1-2 bezeichnen könnte. Gyamerah ersetzte Gündüz
auf der rechten Seite, während sich Stiepermann für Rieble im linken Mittelfeld
einreihte. Beide ließen sich gegen den Ball fallen und stellten eine 5-2-3
Formation her.
Bochums
Spielweise mutete nun deutlich intensiver und druckvoller an als in der ersten
Halbzeit. Der Ball wurde nun seltener in der ersten Linie zirkuliert, sondern
früh lang geschlagen. Dadurch wurden die „Veilchen“ nach hinten gedrückt und
die Bochumer konnten kollektiv aufrücken, nach Ballverlusten konsequent
gegenpressen und sich nachhaltig in der gegnerischen Hälfte festsetzten.
Doch nicht
nur die enorme Offensivpräsenz der Bochumer drängte die Auer in den tiefen
Verteidigungsmodus. Der VFL versuchte
nun vermehrt die Räume neben Kvesic und Tiffert zu bespielen, denn die vordere
Dreierreihe ließ sich häufig fallen und überlud mit den aufrückenden Losilla
und Wydra den Zwischenlinienraum-Aue konnte die mannorientierte Spielweise
nicht mehr auf Recht erhalten und insbesondere
Rizzuto und Hertner standen vor der Frage ob sie ihre Kollegen im
Zentrum unterstützen oder doch lieber ein Aufrücken der Bochumer Flügel
verhindern sollten. Rückten sie auf bzw. ließen sich von Stiepermann und
Gyamerah locken, offenbarten sie noch mehr Raum vor und neben der Dreierkette
und zwangen Kvesic und Tiffert zu weiträumigen Absicherungsläufen, die dann
wiederrum die Unterzahl Zentrum verschärften.
Rizzuto wird von Stiepermann aus seiner Position gezogen, welcher im Anschluss von Bastians hinterlaufen wirde. Tiffert muss das Zentrum verlassen und verschärft die Unterzahlsituation |
Tedesco
reagierte früh auf die veränderten Gegebenheiten der Partie und tauschte
Bertram für Soukou, der als Bindeglied zwischen Mittelfeld und Angriff dienen
sollte und bei Bedarf Tiffert und Kvesic absichern konnte. Aue gelang es
trotzdem kaum sich nachhaltig zu befreien bzw. längere Ballbesitzphasen
einzustreuen. Der Druck wurde zu groß und Wurtz egalisierte folgerichtig die
frühe Führung.
Obwohl
Tedesco wieder auf ein klares 5-2-3 umstellte und frische Kräfte für die
Offensive brachte, konnten die Veilchen ihr ordentliches Pressing aus der
ersten Hälfte nicht mehr reaktivieren. Der ersten Linie mangelte es an
Intensität, Kvesic und Tiffert schoben nicht mehr konsequent nach, sondern
unterstützen die Dreierkette. Immerhin konnten
der VFL in viele Mittelfeldduelle verwickelt, anschließende Freistöße
hemmten den Spielfluss, nahmen etwas Druck von der Endverteidigung, so dass am
Ende ein nicht unverdienter Punkt zu Buche stand
Fazit
1 Gegentor
aus 2 Spielen ist ein Indiz dafür, dass eine Formation mit Dreierkette die
bisherigen Schwachstellen des Auer Spiels zumindest mindern können. Phasenweise
wird Aue noch zu tief nach hinten gedrückt und kann auf Grund mangelnder
Verbindungen nach vorne nicht für die erforderliche Entlastung sorgen. Das Auer
Spiel ist immer noch auf Einzelaktionen der schnellen Dreierreihe fokussiert,
denen es allerdings an Unterstützung mangelt.
Ein wenig
erinnert die Dramaturgie der Begegnung an den Auftritt des SV Sandhausen im
Ruhrstadion in der Hinrunde. Auch damals kam der VFL in der ersten Hälfte gegen
einen diszipliniert gegen den Ball arbeitenden Gegner nicht zu Recht und machte
sich mit einem behäbigen Spielaufbau selbst das Leben schwer. Sandhausen musste
sich dem enormen Druck der Gastgeber beugen und gab die Führung aus der Hand,
rettete aber immerhin noch einen Punkt.
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