Donnerstag, 23. März 2017

Tedesco`s ersten Spiele mit Erzgebirge Aue





Nachdem Rücktritt von Cheftrainer Pawel Dotchev hat der FC Erzgebirge Aue einen Nachfolger präsentiert der vor allem Kennern des deutschen Jugendfußballs ein Begriff sein dürfte. Obwohl Domenico Tedesco (30) laut eigener Aussage Angebote aus den Ligen 1-3 vorlagen, entschied er sich für die Offerte der Westsachsen um in der 2. Bundesliga seine ersten Schritte als Cheftrainer im deutschen Profifußball zu wagen.


Taktische Anpassungen

Agierten die Auer unter Vorgänger Pawel Dotchev überwiegend in einem 4-2-3-1 System, stellte Tedesco nun auf ein System mit Dreier- respektive Fünferkette um. Ein Blick auf die Tordifferenz genügt um festzustellen, dass die Defensivarbeit das Sorgenkind der Auer ist. Die generelle Tendenz zum kollektiven Herausrücken und aggressiven Verteidigen destabilisierte die Auer Endverteidigung. Insbesondere bei Konterangriffen nach eigenen Ballverlusten oder nach missglückten hohen Pressingphasen, sah sich die Endverteidigung um Dauerbrenner Breitkreutz Unterzahlsituationen ausgesetzt.

Bereits in der ersten Partie gegen den Karlsruher Sportclub wurde die neue Formation angewandt, was gleich mit einem wichtigen Sieg im Abstiegskampf belohnt wurde. Die Dreier/Fünferkette sicherte eine zumindest numerische Ãœberlegenheit in der letzten Linie, stabilisierte die Endverteidigung und ermöglichte den Halbverteidigern die Wing Backs auf den Außen zu unterstützen bzw. deren Aufrückbewegungen abzusichern.   

5-2-3-(0) in Bochum

 

Konkret staffelten sich die Auer gegen den Ball in einem 5-2-3-(0) System.  Bauten die Bochumer in der ersten Linie mit drei Spielern auf, wurden diese zunächst freigelassen. Die vorderste Pressinglinie konzentrierte sich darauf mittels Deckungsschatten die Passwege ins Zentrum zu versperren.  Nazarov und Köpke ließen sich aber nicht zu weit ins Zentrum ziehen, sondern hielten immer den Kontakt zu Rizzuto und Hertner um diese Außen zu unterstützen. Gemeinsam mit den mannorientiert nach vorne schiebenden Kvesic und Tiffert konnte so die Bochumer Zentrale um Wydra und Losilla aus dem Spiel genommen werden. Versuchte sich einer der beiden Bochumer Sechser nach hinten zu lösen und sich in den Aufbau einzuschalten, wurde er von Kvesic oder Tiffert verfolgt, so dass phasenweise eine 5-1-4-(0) Staffelung entstand.

Die Wing Backs hielten sich zurück und suchten den Kontakt zur Dreiereihe um die personelle Überzahl in der Endverteidigung zu wahren. Da der VFL Flügelüberladungen vermied und Günduz und Pavlidis ihre Positionen auf den Außen linear interpretierten, konnten sie sich leicht an ihren jeweiligen Gegenspielern orientieren. Wurden Rizzuto und Hertner von den weit aufrückenden Bochumer Außenverteidigern nach hinten gedrückt, reihten sich Nazarov und Köpke neben die Doppelsechs ein und es ergab sich eine tiefe 5-4-1 Formation.

Ein Pass auf den Außenverteidiger diente als Pressingtrigger, denn sobald der VFL sich linear auf dem Flügel durchspielen wollte, schob sofort der ballnahe Sechser auf die Außen um den rausrückenden Wingback sowie ballnahen Flügelspieler zu unterstützen. Konnten die Erzgebirgler in solchen Situationen Ballgewinne erzielen, nutzen sie sofort die ballnahe Überzahl und spielten ihre Angriffe über die Wing Backs aus.

 

Ballbesitz

Im eigenen Aufbau zeigte sich das Team von Domenico Tedesco weniger ambitioniert (was wahrscheinlich auch der prekären Tabellensituation geschuldet ist) zeigten dennoch einige vielversprechende Ansätze um sich aus dem hohen Bochumer Pressing zu befreien. Eine wichtige Rolle wurde dabei Torhüter Männel zu Teil, der in tiefen Zirkulationsphasen immer eingebunden wurde und zusammen mit der Dreierkette eine leicht angedeutete Raute herstellte.

Der VFL presste in einem mannorientiertem 4-3-3 System. Wurtz und Gündüz rückten neben Quaschner in die erste Pressinglinie auf, Wydra und Losilla orientierten sich an Kvesic und Tiffert, welche sich beide fallen ließen um den Raum hinter den aufrückenden Sechsern zu öffnen. Einige Male konnten die Auer mittels direkter Weiterleitung über Männel und Tiffert die freien Wing Backs erreichen, die dann versuchten die schnelle offensive Dreierreihe in Szene zu setzten.

Die daraus resultierenden Abläufe spiegelten eine bereits unter Dotchev auftretende Problematik wieder: Aue schaffte es zwar sich spielerisch aus dem gegnerischen Pressing zu befreien, in Folgeaktionen befand sich die Offensive allerdings in Unterzahl und musste versuchen über schnelle Durchbrüche zum Erfolg zu gelangen, was wiederrum ein Festsetzen in der gegnerischen Hälfte und längere Ballbesitzphasen verhinderte.
Die frühe Führung durch Nazarov der einen Elfmeter sicher verwandelte, brachte dem Auer Spiel gegen den Ball Spiel noch mehr Sicherheit und Dominanz. Der langsame Spielaufbau der Bochumer sowie das starre Festhalten der einzelnen Akteure an ihren Positionen, gepaart mit schwachem Freilaufverhalten, ermöglichte den  Ã¼berwiegend mannorientierten Auern sich leicht zu orientieren und kollektiven Zugriff auf das Spielgeschehen zu erhalten.  

Bochums enorme Offensivpräsenz bringt Mannorientierungen durcheinander  

Zu Beginn der zweiten Hälfte stellte Gertjan Verbeek auf ein System um, das man höchstens auf dem Papier als ein 3-4-3/3-4-1-2 bezeichnen könnte. Gyamerah ersetzte Gündüz auf der rechten Seite, während sich Stiepermann für Rieble im linken Mittelfeld einreihte. Beide ließen sich gegen den Ball fallen und stellten eine 5-2-3 Formation her.
Bochums Spielweise mutete nun deutlich intensiver und druckvoller an als in der ersten Halbzeit. Der Ball wurde nun seltener in der ersten Linie zirkuliert, sondern früh lang geschlagen. Dadurch wurden die „Veilchen“ nach hinten gedrückt und die Bochumer konnten kollektiv aufrücken, nach Ballverlusten konsequent gegenpressen und sich nachhaltig in der gegnerischen Hälfte festsetzten.

Doch nicht nur die enorme Offensivpräsenz der Bochumer drängte die Auer in den tiefen Verteidigungsmodus. Der VFL  versuchte nun vermehrt die Räume neben Kvesic und Tiffert zu bespielen, denn die vordere Dreierreihe ließ sich häufig fallen und überlud mit den aufrückenden Losilla und Wydra den Zwischenlinienraum-Aue konnte die mannorientierte Spielweise nicht mehr auf Recht erhalten und insbesondere  Rizzuto und Hertner standen vor der Frage ob sie ihre Kollegen im Zentrum unterstützen oder doch lieber ein Aufrücken der Bochumer Flügel verhindern sollten. Rückten sie auf bzw. ließen sich von Stiepermann und Gyamerah locken, offenbarten sie noch mehr Raum vor und neben der Dreierkette und zwangen Kvesic und Tiffert zu weiträumigen Absicherungsläufen, die dann wiederrum die Unterzahl Zentrum verschärften.

Rizzuto wird von Stiepermann aus seiner Position gezogen, welcher im Anschluss von Bastians hinterlaufen wirde. Tiffert muss das Zentrum verlassen und verschärft die Unterzahlsituation

 
Tedesco reagierte früh auf die veränderten Gegebenheiten der Partie und tauschte Bertram für Soukou, der als Bindeglied zwischen Mittelfeld und Angriff dienen sollte und bei Bedarf Tiffert und Kvesic absichern konnte. Aue gelang es trotzdem kaum sich nachhaltig zu befreien bzw. längere Ballbesitzphasen einzustreuen. Der Druck wurde zu groß und Wurtz egalisierte folgerichtig die frühe Führung.

Obwohl Tedesco wieder auf ein klares 5-2-3 umstellte und frische Kräfte für die Offensive brachte, konnten die Veilchen ihr ordentliches Pressing aus der ersten Hälfte nicht mehr reaktivieren. Der ersten Linie mangelte es an Intensität, Kvesic und Tiffert schoben nicht mehr konsequent nach, sondern unterstützen die Dreierkette. Immerhin konnten  der VFL in viele Mittelfeldduelle verwickelt, anschließende Freistöße hemmten den Spielfluss, nahmen etwas Druck von der Endverteidigung, so dass am Ende ein nicht unverdienter Punkt zu Buche stand

Fazit

1 Gegentor aus 2 Spielen ist ein Indiz dafür, dass eine Formation mit Dreierkette die bisherigen Schwachstellen des Auer Spiels zumindest mindern können. Phasenweise wird Aue noch zu tief nach hinten gedrückt und kann auf Grund mangelnder Verbindungen nach vorne nicht für die erforderliche Entlastung sorgen. Das Auer Spiel ist immer noch auf Einzelaktionen der schnellen Dreierreihe fokussiert, denen es allerdings an Unterstützung mangelt.



Ein wenig erinnert die Dramaturgie der Begegnung an den Auftritt des SV Sandhausen im Ruhrstadion in der Hinrunde. Auch damals kam der VFL in der ersten Hälfte gegen einen diszipliniert gegen den Ball arbeitenden Gegner nicht zu Recht und machte sich mit einem behäbigen Spielaufbau selbst das Leben schwer. Sandhausen musste sich dem enormen Druck der Gastgeber beugen und gab die Führung aus der Hand, rettete aber immerhin noch einen Punkt.
 

 

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