Ballbesitz
Zehnerraum/Gegenpressing
Louis Van
Gaal hat einst das „4Phasen Modell“ entwickelt. Demnach gliedert sich ein
Fussballspiel in vier sich immer aufeinander aufbauenden und wiederholden
Phasen:
Phase
Ballbesitz -> Phase Umschalten auf Gegner Ballbesitz -> Phase Ballbesitz
Gegner ->
Phase
Umschalten auf Ballbesitz
Pep Guardiola
hat in diesem Zusammenhang den Begriff „Gegenpressing“ eingeführt. Dabei handelt
es sich um eine neue separate Phase die zwischen den beiden Phasen „Ballbesitz“
und „Umschalten auf Gegner Ballbesitz“ einzuordnen ist. Die Mannschaft, welche
den Ball verloren hat schaltet nicht auf „Gegner Ballbesitz“ um, sondern
versucht sofort den Ball zurückzuerobern.
Für
dominante, proaktive ausgerichtete Mannschaften ist ein gutes Gegenpressing
essenziell um dem eigenen Dominanzanspruch gerecht zu werden. Begünstigt wird
dies durch vorteilhafte, ausgewogene Staffelungen bei eigenem Ballbesitz,
welche es erleichtern sich im Moment des Ballverlustes schnell zu formieren um dem
Gegner sofort das Spielgerät streitig zu machen.
Dabei ist
Gegenpressing nicht dem herkömmlichen Nachsetzten zu verwechseln. Es handelt
sich hierbei um ein gruppentaktisches Element, da fast alle Spieler am Prozess
der direkten Ballrückeroberung teilnehmen. Es wird nicht nur der Ballführende
unter Druck gesetzt, sondern weitere Mitspieler verknappen den Raum, stellen
die Passwege zu oder setzten mögliche Anspielstationen unter Druck. Im
Optimalfall wird der Ball sofort zurückerobert und man kann den Gegner, der
sich gerade nach vorne orientiert hat, direkt gefährlich attackieren (vgl.
Rafelt 2016, 65).
Das vom SV
Sandhausen gewählte 4-4-2 System bringt dabei allerdings einige strukturelle
Schwächen mit sich. Es werden zwar die Halbräume und die Außen (sogar doppelt)
besetzt, allerdings bleibt das Zentrum frei. Durch den Mangel an diagonalen
Passoptionen werden die Spieler voneinander isoliert und somit
Kombinationsmöglichkeiten im Passspiel beschnitten. Außerdem fehlen im Zentrum
und dem Halbraum Dreiecksformationen, wodurch die Abstände im Normalfall größer
sind (vgl. Henselmann/Maric 2015, 133).
Sandhausen
versucht diesen strukturellen Nachteil durch ein dynamsiches Besetzten des
Zehnerraums zu beheben. Höler, Kulovits, sowie die beiden Flügelspieler und Kulovits
orientieren sich vor allem in Anschluss an lange, hohe Bälle aus der ersten
Linie ins Zentrum und nehmen Duelle um zweite Bälle auf. Da insbesondere deren
Pendants breiter und höher orientiert waren, konnte der SVS so teilweise Überzahl
im strategisch wichtigen Zehnerraum erreichen. Gelang ihnen dabei eine
Balleroberung, können sie direkt auf einen unsortierten Gegner anspielen und
einen schnellen Torabschluss aus aussichtsreicher Position provozieren.
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Kosecki und Pledl rücken weit nach innen und
sorgen für vorteilhafte Gegenpressingstrukturen
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Fazit/Ausblick
Spätestens
nach der Länderspielpause konnte man die Handschrift Kenan Kocaks erkennen. Die
Umstellung von 4-2-3-1 auf 4-4-2 lässt sich eventuell dadurch erklären, dass
die Mannschaft nach Ballverlust bzw. bei gegnerischem Aufbau leichter in die
Defensivformation zurückkehren kann.
Strategisch
lässt sich erkennen, dass der SVS nun wesentlich intensiver und höher presst
und somit auch regelmäßiger zu Ballgewinnen in hohen Zonen gelangen kann. Das
Pressing wirkt insgesamt wesentlich kohärenter, die Viererkette um Daniel
Gordon schiebt entschlossener nach vorne und lässt keine Lücken in den Zwischenräumen.
Besonders gut funktioniert diese Spielweise gegen individuell schwach besetzte
Innenverteidiger, die entweder sehr früh zum langen, unkontrollierten Ball
greifen, oder Fehlpässe verursachen.
Die
Hereinnahme von Linsmayer hat das Aufbauspiel stabilisiert und strukturiert.
Die Außenverteidiger können nun geregelter ins zweite Drittel aufrücken und den
Flügelspielern das Einrücken in die Halbräume ermöglichen.
Die enorme
Kompaktheit macht den SVS allerdings anfällig für ballferne Diagonalläufe.
Greuther Fürth nutzte die Halbraumfokussierung der ballfernen Flügelspieler geschickt
aus und konnte dadurch einige Mal in den Zwischenlinienraum eindringen.
Eine weitere
Herausforderung stellt das Verhalten der Mannschaft nach überspieltem Pressing
dar. St. Pauli gelang dies durch flexible Überladungen der eigenen ersten Linie
relativ gut. Sandhausen hatte in Anschlussaktionen Probleme erneut Zugriff
herzustellen und lies sich phasenweise weit zurückdrängen.
Quellen
Henseling,
Marco/Maric, Rene (2015): Fußball durch Fußball. Das Trainerhandbuch von
Spielverlagerung.de. Göttingen
Rafelt,
Martin (2016): Vollgasfussball. Die Fußballphilosophie des Jürgen Klopp.
Göttingen
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